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Montag, 31. Mai 2021

Biografie: Aussteuer und Heiratsmarkt in den 1970er- Jahren

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!

"Schreib mal hier, wann es weitergeht mit Hannah", schrieb eine Freundin kürzlich in einer meiner Whatsapp-Gruppen. Das klang nach Interesse. Offenbar war man gespannt. Bestens ...! Und da ich hoffe, dass es euch ebenso geht, kommt hier die nächste Fortsetzung:

Kurzes Update: Hannah  ist verdammt froh, dass sie es gewagt hat, den Ausbildungsbetrieb zu wechseln. Bei der Firma Coca-Cola fühlt sie sich wohl. Alles ist so modern. Fast macht die Ausbildung Spaß. Sie gewöhnt sich allmählich an den Gedanken, dass eine Karriere als Ehefrau für sie ja vielleicht doch als Alternative für Gymnasium und Studium in Betracht kommen könnte. Versuchen könnte sie es zumindest. Bald trudelt das erste Lehrgeld des  neuen Lehrherrn ein und Hannah besinnt sich darauf, was man am besten damit anstellen könnte. Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: Aussteuer kaufen natürlich.

Und nun zur Geschichte selbst:

 

Marktwert
Die erste Ausbildungsvergütung war auf ihrem Konto eingetrudelt. Stolz ließ Hannah sich die zweihundert Mark bei der Sparkasse auszahlen, lieferte sie zu Hause ab und erhielt im Gegenzug fünfzig Mark Taschengeld. Deutlich mehr als bisher – dennoch ärgerte sie sich, erst recht, als sie mitbekam, dass die anderen Lehrlinge und Anlernlinge zu Hause Kostgeld abgaben und den Rest für sich behielten. Das wollte sie auch! Als der zweite Monat vorüber war, sprach sie es an und klopfte ihre Eltern weich, leichter als gedacht.

Das Geld konnte Hannah mit ihren fünfzehn Jahren gut gebrauchen. Es gab ja so viel, was sie gern kaufen würde. Und kaufen sollte. Beglückt erstand sie von nun an an den Ramsch- und Grabbeltischen in den Kaufhäusern und Buchläden der Essener Innenstadt jede Menge billiger Bücher, vom Simmel- oder Konsalik-Roman über Koch- und Back-, Strick- und Häkelbücher bis hin zum italienischen oder spanischen Sprachführer. Dazu Schmuckausgaben von Shakespeare, Goethe, Schiller ... Lesend konnte man ja auch ohne Studium seinen Kopf füllen, dachte sie, und dabei gleichzeitig ein paar praktische Kenntnisse erwerben. Seit Tante Rut ihr das kleine Buch „Freundschaft mit Büchern“ geschenkt hatte, war Hannah wild entschlossen, eines Tages eine eigene Bibliothek zu besitzen. 

Außerdem begann sie nun mit Volldampf, sich ihre Aussteuer zusammenzukaufen, für ein gemütliches Leben zu zweit. Wenn sie allein zu Hause war, baute sie ab und zu ihre Beutestücke dekorativ auf dem Familien-Esstisch auf: orangefarbene Tischsets mit großen Ornamenten, dazu passende Stoffservietten und Serviettenringe mit Stoffbordüre, ein sonnengelbes, bauchiges Kaffeeservice aus Steingut, glänzende Eierbecher und Aufschnittplatten von WMF, einen Satz der gerade angesagten Bestecke mit rustikalen Holzgriffen, braun glasierte Backformen im Großmutter-Look und eine Serie von Glasschüsseln und -platten mit Rändern aus Glaskugeln. Lauter schöne Dinge für ihre spätere Küche, die natürlich viel schicker sein würde als die Küche daheim, in der sie als Kind hatte schlafen müssen. Immer wieder befühlte sie die flauschigen Frotteetücher in Orange und Burgund, gemusterte Geschirrtücher, Damast-Bettwäsche in Apfelgrün und Apricot, die sich schon bald in ihrem Schrank stapelten, betrachtete die Tischdecken und Kerzenleuchter und all die anderen großen und kleinen Anschaffungen, die sie Monat für Monat machte - fast ausnahmslos, indem sie Sonderangebote nutzte, und hochbeglückt über ihren Jagderfolg. 


Je mehr sie sammelte, desto mehr fühlte es sich wie ein schöner Traum für sie an, all diese Dinge in ihrem eigenen Haushalt zu benutzen. Sich und ihrem Traumprinzen damit das Leben schön und behaglich zu machen. Dass auch sie einmal heiraten sollte, stand für sie inzwischen fest. Zumindest für den Moment hatte sie sich arrangiert. Und sie war gespannt darauf, wie es sein würde, das Leben als Ehefrau. 

Sie hielt es für unabkömmlich, etwas für ihren Marktwert zu tun. Gute Köchinnen und Hausfrauen wussten Männer angeblich als Ehefrauen sehr zu schätzen, Jungfrauen erst recht. Waren die Frauen aber auch noch schön, stiegen ihre Chancen, eine gute Partie zu machen, beträchtlich. Hannah tat, was sie konnte. Sie versorgte ihre Haare mit hundert Bürstenstrichen täglich, um sie zum Glänzen zu bringen. Sie zupfte sich die Augenbrauen, bearbeitete ihre Haut morgens mit einer Massagebürste, bis der ganze Körper rosig schimmerte, schminkte mich – mit viel blauem und weißem Lidschatten, Mascara und Lippenstift - und lackierte sich die Fingernägel im jeweils passenden Farbton. Besonders aber kämpfte sie um eine gute Figur. Auf keinen Fall wollte sie so dick werden wie Mutti, die schon stolz war, wenn sie ein Kleid in Größe 50 statt in Größe 52 fand, in das sie hineinpasste. Mutti, die alles mit Appetit alles, was süß und fettig war und ihr schmeckte, ihre Witzchen darüber machte und nebenher von den angeblichen Segnungen pflanzlicher Abführmittel berichtete. „Die sind ganz natürlich und danach hat man morgens leicht ein Kilo weniger auf der Waage. Einfach fabelhaft. Und wenn das nicht reicht, macht man ab und zu eben einfach eine Diät.“
Wenn Mutti das sagte,  musste das wohl stimen.
„Wer schön sein will, muss leiden“, unkte Oma. Auch das glaubte Hannah und versuchte, danach zu handeln.
Bereits mit dreizehn Jahren hatte sie so, gemeinsam mit Mutti, ihre erste Diät hinter sich gebracht. Dank Jojo-Effekt waren bald schon weitere Hungerkuren gefolgt, von Atkins bis Brigitte, von der Punkte-Diät, bei denen ihr die Mettwürstchen schon bald aus den Ohren herauskamen, von denen man reichlich essen durfte, solange man auf Kohlehydrate, also auch auf Obst und Gemüse, weitgehend verzichtete, bis hin zu Sauerkrauttagen. Albträume von verbotenerweise genossener Sahnetorte oder saftigen Weintrauben und stetiges Unwohlsein quälten sie, doch sie stand es durch. Sie musste ja. Wie sonst sollte sie eine gute Partie machen können.

Wie selbstverständlich bereitete sie sich auf eine „Karriere“ als Ehefrau vor. Inzwischen zeigte der Blick in den Spiegel ein ansehnliches, hochgewachsenes Mädchen mit verträumten blauen Augen, nur leicht stämmigen Beinen, einem afrikanisch anmutenden, kräftigen Hinterteil – irgendwo musste der Name Braun ja herkommen - und mit gleichmäßig geschwungenen Lippen. Der Spiegel zeigte ein Mädchen, das, mühsam erkämpft, Minikleider und -röcke in Größe 38 tragen konnte. Irgendein Mann würde sich dafür doch wohl finden lassen, dachte sie. Geduld war allerdings angesagt, denn den ersten Schritt zu tun, das verbot sich für eine anständige junge Frau wie sie von selbst. Oder vielleicht doch nicht ...?

                                                    Weiße Lilien als Brautstrauß? Irgendwann, ein ein paar Jahren ...?

Inzwischen sind Band 2 und Band 3 der Trilogie auf dem Markt - und sehr erfreuliche Rezensionen dazu. Hier findet ihr auf schnellstem Wege zum 1. Band und zur kostenlosen Leseprobe. Viel Spaß beim nostalgischen Eintauchen in eine andere Welt ...!

Bis bald sagt Eure

Sigrid Ruth

 

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