Finde hier jede Menge lebendiger Inspiration und Tipps, um deine Lebenserinnerungen, deine eigene Biografie zu schreiben und in Form zu bringen! Geschrieben von einem Kind der Fünfziger Jahre, geboren im Kohlenpott. Gedacht FÜR DICH!

Freitag, 28. Mai 2021

Ende der Schulzeit - dramaturgisch wichtiger Wendepunkt in der Biografie

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!

Weiter geht es mit Hannah - wie heute vorm Frühstück versprochen. Es gab frisch geflockten Hafer und Quinoa mit Dinkelmilch, Banane, Kiwi, Granatapfel- und Sonnenblumenkernen und Mandeln. So was kannte Hannahs Mutter gar nicht. Sie aß gern zuckersüß und fettig und bewegte sich wenig. Das allerdings würde sich noch als höchst fatal erweisen. Was zum Glück noch niemand ahnte, als Hannah zum letzten Mal die Aula betrat. Der Schulabschluss war gekommen - ein Wendepunkt in ihrem Leben:

Schulschluss final?
Was für andere vermutlich ein Grund zur Freude war, war für Hannah eher eine Begräbnisfeier: die Abschlussfeier in der Aula ihrer Schule. Flankiert von ihren stolzen Eltern saßen die zu entlassenden Mädchen da, Schülerinnen aus drei Parallelklassen. Das Schulorchester spielte schiefe Töne. Der Schulchor, zu dem sie Hannah nun nicht länger gehörte, sang erbauliche Lieder. Die Lehrerschaft fand feierliche Worte, um die Jugendlichen dem „Ernst des Lebens“ zu übergeben. Jede Schülerin wurde einzeln nach vorn gerufen und erhielt das vierseitige Abschlusszeugnis der „Mittleren Reife“, mit dem Wappen der Stadt vorne drauf.
„Herzlichen Glückwunsch, Hannah“, sagte Herr Schäfer, schenkte ihr ein warmes Lächeln, das sie mit Tränen im Blick erwiderte, drückte ihr die Hand und das Zeugnis in die Hand. Noch im Zurückgehen zu ihrem Platz warf sie einen Blick auf die Noten. In Französisch hatte die Stürmer ihr tatsächlich doch noch eine Zwei gegeben, obwohl Hannah in letzter Zeit faul gewesen war. Welch unerwartete Freude. Keine Vier verunzierte die Urkunde, nicht einmal in Sport. Leider gab es auch dieses Mal keine Eins, nur Zweier und Dreier eben. So gut, wie sie gern gewesen wäre, war sie offenbar doch nicht, obwohl Bärbel lebenslang behaupten würde, der Lernstoff sei ihr nur so zugeflogen. Wie einer Überfliegerin eben, die den Stoff nur zu überfliegen brauchte, um ihn verstehen und behalten zu können. Hier und da hatte das gestimmt, aber längst nicht überall.
Dann war es so weit: Zum letzten Mal überquerte Hannah den Schulhof, auf dem sie so oft einsam auf- und abgeschlendert auf. Den vertrauten Ort, an dem sie in den letzten Jahren Tag für Tag geborgen und vertraut mit Bärbel hatte reden und lachen können. Nun ging sie mit gesenktem Kopf, ihr Zeugnis in der Hand, ihre Eltern neben sich, auf dem Weg zum parkenden Auto, denn Mutti hatte den Fußweg gescheut. Bärbel war nicht an Hannahs Seite. Sie verließ den Schulhof gerade mit ihren Eltern über einen anderen Ausgang – zu Fuß. Eine sportliche Familie eben. 

Hannahs Herz schien als schwerer Klumpen in ihrer Brust zu liegen. Das Atmen fiel ihr schwer. Sie war ja so unglücklich. So gern war sie zur Schule gegangen. Irgendwo zwischen Herz und Hals gurgelten inzwischen kaum noch zu unterdrückende Schluchzer. Am Ende des Schulhofs traf sie auf ihre Mitschülerin Annika, die sie viel zu hübsch und zu nett fand, als dass sie jemals versucht hätte, näheren Kontakt zu ihr aufzunehmen. Nun aber strahlte Annika sie offen an. „Ach, Hannah!“, rief sie mit ihrer klaren, hellen Stimme. „schön, dich noch zu sehen. Ich wünsch dir alles Gute!!“
„Ich dir auch“, presste sie hervor.
Kaum war Annika außer Sicht- und Hörweite, heulte Hannah los. Sie konnte nicht mehr. Warum nur war sie immer völlig entgeistert, wenn Menschen, die sie nicht näher kannte, nett zu ihr waren? Hielt sie sie selbst wirklich für so wenig liebenswert? Und wenn ja, warum, verflucht?! Und warum ging ihr das mit dem Schulende so nah? Sie hatte die Mittlere Reife geschafft. Das war doch was Gutes. Sie würde nun aufbrechen in eine neue Welt.
Dass sie auch so manche unglückliche Stunde an dieser Schule verbracht hatte, schien in diesem Moment ganz weit weg zu sein. Jetzt kam sie sich vor wie Eva, die Gott zusammen mit Adam aus dem Paradies hatte werfen lassen. Die gewusst hatte: Sie würde niemals zurückkehren dürfen in den Garten Eden.

                                    Für Hannah war der Schulabschluss wie ein Rausschmiss aus dem Garten Eden ...
 

Sie spürte Papas Hand. Mit einer Geste liebevoller Hilflosigkeit strich er ihr übers Haar. „Nun wein doch nicht.“
Mutti hakte sich bei ihr unter. „Kein Grund für Tränen, Hannahlein, glaub mir. Bald verdienst du dein eigenes Geld. Du glaubst ja gar nicht, wie schön das ist ...! Dann hast du die Schule bald vergessen.“
Und Rosa, die Stimme ihrer Kindheit? In letzter Zeit hatte sie sich immer seltener zu Wort gemeldet. Nun schwieg sie. Vielleicht waren freche, rosafarbene Mäuse für heranwachsende Mädchen, die die Schule hinter sich gelassen hatten, einfach nicht mehr zuständig. Und wenn sie nicht wiederkäme, hätte Hannah nun gleich zweimal verloren.

Für Mutti war Hannahs Schulabschluss der Startschuss, um mit Volldampf auf den nächsten Umzug hinzuarbeiten. Zu Hannahs Umschulung war die Familie nach Borbeck gezogen. Ihr Ausbildungsbeginn schien der richtige Zeitpunkt zu sein, sich anderswo niederzulassen. Hannah wusste, dass das Leben in der Donnerstraße für ihre stets kränkelnde Mutter allmählich unerträglich geworden war. Sie ahnte, wie sehr ihre Mutter sich nach mehr Ruhe sehnte - zu Recht. Muttis gesundheitliche Verfassung war ebenso schwach geworden wie ihr Nervenkostüm. Ihr Blutdruck war beängstigend hoch und sie musste täglich Codein einnehmen für ihr schwaches Herz. Dass aber all das Mutti mehr belastete, als ihr Lachen vermuten ließ, dass sie noch in Borbeck zu Papier und Füllfederhalter greifen und vier herzzerreißende Briefe schreiben würde, das würde Hannah erst fünf Jahre später erfahren. Hätte sie etwas anders gemacht, wenn sie es jetzt schon gewusst hätte ...? 



Ein Erfolgsmodell: Die Heldenreise

Keine erfolgreiche Geschichte ohne Wendepunkte. In der Regel gibt es zwei große und viele kleinere Wendepunkte. Der erste große Wendepunkt ist, wie es bei der klassischen Heldenreise in Literatur und Film zigfach angewendet wurde und wird, ein Ruf des Schicksals an Held oder Heldin. Dieser Ruf stößt die Handlung an. Wie es mit der Heldenreise weiter geht, erkläre ich später noch einmal näher. Das Ende der Reise wird dadurch definiert, dass Held oder Heldin die Herausforderung bestanden oder eben dauerhaft nicht bestanden hat. Die erste Lösung = happy end ist häufiger und beliebter. Durch die Entwicklung im Rahmen der Heldenreise jedenfalls hat sich das Leben des Protagonisten, der Protagonistin für immer verändert. 

 

Keine Story ohne Wendepunkte

Nun kann man ja nicht sagen, dass der Schulabschluss Hannahs Leben für immer veränderte. Er war ein zwar bedeutender Wendepunkt, aber nicht der letztlich alles entscheidende. Einer von vielen Wendepunkten im Laufe ihrer Reise, bei der sie herausfinden soll, ob eine Ehe sie so glücklich machen wird, wie ihre Mutter es ihr versprochen hat, oder ob ihre Erfüllung ganz woanders liegt. Braucht die begabte, wissbegierige Hannah einen Mann, um mit Freude durchs Leben zu gehen, oder ist eher das Gegenteil der Fall? Das ist der rote Faden. Das muss sich am Ende des Buches herausgestellt und zu einer Entscheidung oder Einstellung geführt haben, die Hannahs weiteres Leben ganz entscheidend prägt. Was das sein wird, das wird hier natürlich noch nicht verraten. Ebensowenig, wie Hannahs Weg aussieht, welche Erkenntnisse ihr die Augen öffnen und sie für immer verändern werden. Es wird also noch etliche kleine bis mittelgroße Wendepunkte geben, die dafür sorgen, dass die Spannung am Leben erhalten bleibt und der Leser,  eher wohl die Leserin, unbedingt wissen will, wie es weitergeht. So funktioniert es, das Storytelling. 

Für Hannah ist der Schulabschluss wie die Vertreibung aus dem Garten Eden - ein Drama. Zugleich aber ein Schubser ins Leben, in dessen Verlauf Hannahs Kampfgeist sich immer mehr entwickelt. Langsam, aber unaufhaltsam. 

Bis bald sagt Eure

Sigrid Ruth

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Die Hannah-Trilogie wird fortgesetzt - Hannah & der kleine Camper Oddi

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge! Die Zeit bleibt nicht stehen. - Es gibt Neues von Hannah. Noch immer ist sie mit Gabriel zusa...