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Dienstag, 4. Mai 2021

Motivation zu Memoir oder Autobiografie - schreibt über euer einzigartiges Leben!

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!

"Herr XY schreibt gerade seine Memoiren." Wie gewichtig das klang, beinahe ehrfürchtig. Um seine Memoiren schreiben zu können, musste man sicher berühmt sein. Oder zumindest reich. Aber wenn ich es recht betrachte, was sind Memoiren anders als Erinnerungen? Memoria ist bei den alten Lateinern das Gedächtnis, die Engländer sagen memory, die Franzosen mémoire. Wie auch immer, Lebenserinnerungen hat jeder, der sein Gedächtnis nicht verloren hat. Eine Abgrenzung zur Autobiografie wird oft da gezogen, dass eine Biografie oder Autobiografie schon bei der Geburt beginnen kann, während Memoiren gewöhnlich eine bestimmte soziale Rolle im Fokus haben, die einer bekannten Schauspielerin zum Beispiel. Und ein Memoir ... Aber das krieg'n wer später, um mit Bömmel, dem so sympathischen alten Lehrer aus der "Feuerzangenbowle" zu sprechen.

Ich selbst bin kein bisschen berühmt, auch wenn mich in meiner Stadt - in meiner Rolle als Lokaljournalistin - offenbar mehr Menschen kennen als umgekehrt. Und doch, obwohl ich ein "ganz normaler Mensch" bin, hatte ich ein ereignisreiches, spannendes Leben, das mir erzählenswert erscheint und das ich gern mit anderen Menschen teilen möchte. Und so schreibe ich eben meine Autobiografie. Da bekanntlich die besten Texte entstehen, wenn man beim Schreiben keine Tabus kennt, habe ich erst einmal alles runtergeschrieben, 1.200 Seiten eben. Zu lang und zu wenig fokussiert für ein modernes Memoir. Aber, ehrlich gesagt, wie das Ding heißt, ist mir egal. Ich schreibe, also bin ich. Mir ist meine Geschichte wichtig. Ich möchte sie aus meiner Sicht erzählen. Und ich kann euch nur ans Herz legen, es auch einmal auszuprobieren. Jedes angeblich normale Leben ist einzigartig und - gut beschrieben -  kann es ausgesprochen spannend und mitreißend zu lesen sein.

Wie bitte? Ihr könnt nicht schreiben?! Natürlich könnt ihr, soweit ihr in der Lage seid, Buchstaben sinnvoll aneinanderzusetzen. Ihr müsst nur mal den Deutschunterricht aus Schulzeiten vergessen. Schreibt, wie euch die Feder gewachsen ist. Nur für euch! Erst einmal. Es macht so viel Spaß. Es tut so gut. 

Fangt einfach an und immer mehr Erinnerungen werden hochkommen und euch bereichern, mögen sie glücklich oder traurig sein. Nur wenn sie allzu traurig, ja traumatisierend waren, ist Vorsicht geboten. Ich bin keine Psychologin und mir persönlich hat es durchaus gut getan, von traumatischen Erlebnissen immer wieder zu erzählen und eben auch zu schreiben. Es half mir, flankiert von anderen Maßnahmen, beim Loslassen. Aber es gibt durchaus Warnungen vor Retraumatisierungen. Wenn es dir also gar nicht gut gehen sollte, frage bitte deinen Psychologen, ob er dir rät, schreibend tief in deine Erinnerungen einzutauchen, oder nicht.

Was aber ist nun ein Memoir = Einzahl von Memoiren? Ein Memoir ist eine aus der Perspektive des Autors oder der Autorin geschriebene Erzählung über einen wichtigen Teil(!) seines oder ihres Lebens, aber nicht über das gesamte Leben. Es bezieht sich auf Fakten: Wer hat wo was warum und wie getan? Doch ebenso wichtig sind die Gefühle und Annahmen des Autors - was die Erzählung für viele Menschen so ansprechend macht - weil sie eben mitfühlen und sich selbst wiederfinden wollen. 

Eine sehr gute Beschreibung zum Thema Memoir (auch als Geschäftsmodell) findet ihr in einem Onlinebeitrag der Federwelt, einer Autorenzeitschrift, die ich seit Jahren mit Begeisterung lese. 

Apropos Geschäftsmodell: Autobiografien werden, wie der Name schon sagt, selbst geschrieben, während man Biografien über einen Menschen schreibt, mit oder ohne Auftrag. Manch einer, der sein Leben gern zwischen Buchdeckeln wiederfinden und selbst darüber schreiben möchte, es aber nicht so gut kann, wie er will, zum Beispiel weil es an Zeit oder Struktur mangelt, gönnt sich einen Ghostwriter, was sehr bereichernd sein kann. Ich bin gelegentlich eine solche Geisterschreiberin und weiß, wieviel Spaß das beiden Seiten machen kann.

                                                                                 Copyright Sigrid Ruth Stephenson

                                                                        Zeit für Stoffwindeln und Babyhemd

 

Nun aber endlich zurück zu meiner, zu Hannahs Geschichte. Margrits Schwangerschaft geht ihrem Ende entgegen. Der Kreissaal naht:  

Dass sie so laut schreien könnte, hätte Margrit wohl selbst nicht gedacht.
„Nun reißen Sie sich aber mal zusammen, Frau Braun“, sagte die Hebamme im Werdener Krankenhaus und legte das Stethoskop zur Seite, „eine deutsche Frau hält so was aus.“
„Lieber Gott, hilf mir“, flüsterte Margrit. Eine Hebamme alter Schule, auch das noch. – Verdammt, tat das weh!
Der werdende Vater, heilfroh, nicht dabei sein zu dürfen und zugleich in großer Sorge um Frau und Kind, bedauerte gerade sehr, seine Zigarillos der Marke „Handelsgold“ auf dem Krankenhausflur nicht rauchen zu dürfen. Nervös drückte er das gerade erst entzündete Ding in dem Ascher aus, den die Oberschwester ihm grimmig entgegenstreckte, und begann rastlos über den Flur zu eilen, hin und her. Er schickte Stoßgebete zu einem Gott, der für ihn nicht mehr zuständig war, seit die katholische Kirche ihn nach der Heirat mit einer Protestantin exkommuniziert hatte. Er lauschte dem Ticken der großen Uhr im Gang. Langsam tickte das Ding. Verdammt langsam ...!
Das fand auch Margrit, die noch immer schrie, obwohl die Hebamme sie missbilligend betrachtete.
„Pressen, Frau Braun! Sie sollen nicht schreien. Sie sollen pressen! – Fester! Noch fester!“
Und dann: Flutsch!
DA WAR DIE KLEINE!
Vier Kilo Lebendgewicht. Pausbacken. Kulleraugen. Dunkle Locken. Das schönste Baby der Welt. Und aus Margrit und Bernhard waren Mutti und Papa geworden.
„Ein Mädchen, wie schön!“, sagte Mutti seufzend.
„Unsere kleine Hannah“, sagte Papa und gab beiden einen Kuss.

...

Morgen lest ihr, wie es weitergeht. Ein Memoir wird übrigens in Ich-Form geschrieben, was ich zunächst auch bei meiner Autobiografie gemacht hatte. Inzwischen habe ich mich versuchsweise für die Perspektive der 3. Person entschieden. Fühlt sich spannend an. - Dass Hannah in Wirklichkeit ich bin, bleibt natürlich unter uns, ja? 

Kommt gut durch den Tag. Schreibt schön. 


Bis bald sagt Eure

Sigrid Ruth



 

3 Kommentare:

  1. Ciao Sigrid,
    Margrit und Paula scheinen starke Frauen gewesen zu sein. Margrit mit einer leidvollen Vorgeschichte. Und Paula war auch ungewöhnlich, daß sie ihrer Tochter den beruflichen Weg ermôglichen könnte? Hatte sie eine für damalige Zeiten privilegierte Stellung? Persônlich fände ich es spannend mehr über die beiden Frauen zu erfahren? Aber das würde den Rahmen des Memoir wohl sprengen? Bin selbst ein Kind der Endfünfziger Jahre mit einer Familie aus Schlesien und einem Teil aus Westfalen. Ich bin gespannt, ob Hannah Ruth auch so eine ungewöhnliche mutige Frau wird!
    Und kann verstehen, dass Margrit von einem hausfraulichen Idyll träumt. Nach allem, was sie wohl erlebt hat.
    Noch eine Frage: ist es für ein Memoir unerheblich, ob in der Ich-Form oder in der dritten Person geschrieben wird?
    Es grüßt dich Jeannette

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  2. Ciao Jeannette,
    danke für deinen Kommentar und die interessanten Fragen. Paula, das wird später noch zur Sprache kommen, wäre gern Lehrerin geworden, durfte sie aber nicht ... Ganz so wie ihre Enkelin, die später nicht würde studieren dürfen.
    Offiziell wird ein Memoir in Ich-Form geschrieben, aber es gibt in der Literatur so viele Möglichkeiten, so viele Genres. Ich halte es mit der Theorie: Wer weiß, wie es eigentlich gehen soll, darf auch anders. Oder: Wer die Gesetze kennt, darf sie brechen. Was sicherlich nur für die Gesetze der Kunst gilt. ;-)
    Herzlich, Sigrid

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