Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!
"Erinnerungen machen zwar zuweilen wehmütig, aber vor allem ist es ein großes Glück, in den Reichtum der eigenen Geschichte einzutauchen." Das schrieb ich gerade in die Antwort zu einem der ersten Kommentare zu diesem neuen Blog. Und das, glaubt es mir, stimmt haargenau. Ich habe in den letzten drei Jahren viiieeel Zeit damit zugebracht, über mein Leben nachzudenken, meine Erinnerungen zu strukturieren und aufzuschreiben - oder umgekehrt. Und, was soll ich sagen: Es hat mich sehr bereichert. Es hilft mir, rückblickend einen roten Faden in meinem Leben zu entdecken, mich selbst besser zu verstehen. Daher kann ich euch allen nur empfehlen: Haltet fest, an was ihr euch erinnern könnt und möchtet, für euch selbst und vielleicht auch für eure Nachwelt. Führt ein Tagebuch, schreibt Morgenseiten, wie Julia Cameron es im "Weg des Künstlers" empfiehlt, das es inzwischen auch extra für Menschen über 60 gibt.Vielleicht wollt ihr auch lieber schnelle Skizzen machen, mit Worten oder mit dem Zeichenstift. Richtet einen eigenen Blog ein oder eröffnet einen You-Tube-Kanal, um über euer Leben zu erzählen. Kurzum, lebt euer so kurzes Leben einfach zweimal.
Vor einigen Jahren bot ich bei der Familienbildungsstätte den Kurs "Das Leben zweimal leben" an - einen Kurs zum Verfassen der eigenen Biografie. Der Kurs kam mangels Teilnehmern nicht zustande, aber es meldete sich eine betuchte Dame, die von diesem Slogan so angesprochen worden, dass sie mich unbedingt kennenlernen wollte. Sie kam gerade von einem siebenjährigen Aufenthalt in Italien zurück und empfand es als Herausforderung, in Deutschland und in ihrem Leben wieder richtig anzukommen. Es war eine Umbruchzeit für sie. Sie kam von nun ab regelmäßig zu mir, ist inzwischen eine enge Freundin und seit Corona über uns hergefallen ist, arbeiten wir gemeinsam per Telefoninterview an ihrer Lebensgeschichte. Und das beglückt uns beide.
Kurzum - sich mit den eigenen Lebenserinnerungen zu beschäftigen, ist eine deutliche Bereicherung, eine Abrundung des Lebens. Daher habe ich beschlossen, euch an dieser Stelle nicht nur mit Auszügen aus meiner Biografie zu bedenken, sondern euch auch den einen oder anderen Impuls zu geben, um selbst an der euren zu arbeiten. Es ist so lohnenswert. Es gibt so viele Möglichkeiten. Schreibt mir gern in die Kommentare, welche Gedanken ihr dazu habt, welche Fragen auftauchen.
Und zum Schluss für heute als kleiner Appetizer noch ein Text aus dem Beginn meiner Biografie, versuchsweise in der 3. Person geschrieben, in der aus der Ich-Erzählerin Sigrid kurzerhand Hannah wurde:
Nomen est Omen. Margrits Lieblingscousine Rut durfte die kleine Hannah übers Taufbecken halten und es war Usus, dass der Täufling als zweiten Namen ihren Namen bekam. Dass Ruts Name kurz und hart ausgesprochen wurde allerdings, behagte Margrit nicht so recht, die aus ihrem Töchterchen ein braves, kleines Mädchen machen wollte, ein eher weiches, nachgiebiges Geschöpf. Keine rau-rasselnde Räuber-Rrrrutttt! So fügten sie kurzerhand ein H an. Ruth klang nach Ruhe. Und Ruhe war das, was Margrit mehr als alles andere im Leben brauchte.
Margrit hatte Glück. Wunschgemäß entwickelte die kleine Hannah Ruth sich zu einem stillen, verträumten kleinen Mädchen. Hannah fantasierte sich in die Wolken hinein, zwischen denen sie den lieben Gott vermutete, und in die Malwerkstatt des Osterhasen. Sie plante, die Sterne zu besuchen wie die beiden Geschwister in „Peterchens“ Mondfahrt, und dachte noch kein bisschen darüber nach, dass der Film eigentlich „Peters und Annelieses Mondfahrt“ hätte heißen müssen. Sie wusste auch noch nicht, dass ein anständiges Mädchen zu heiraten hatte, anstatt zu lernen, was ihren Seelenfrieden eines Tages empfindlich stören würde. Und natürlich hatte sie nicht die geringste Ahnung von den beiden Ansichtskarten vom Lago Maggiore, die sie eines Tages im Nachlass ihres Vaters finden würde. Karten, die ihre Mutter voller Stolz ein Jahr nach Hannahs Geburt an den Motorrad fahrenden Nachbarn namens Alfons Griese geschickt, der angeblich stets ganz reizend zu der kleinen Hannah war, und an dessen Frau, die er, die pomadisierten Haare akkurat nach hinten gekämmt, gern verprügelte, wenn er ein Glas zu viel getrunken hatte. Als bald nach dem Fund der Ansichtskarten dann noch die unheimliche Sache mit dem Vorhang passierte, hielt Hannah einen Neuanfang für unumgänglich. Doch vor diesem Neuanfang gab es naturgemäß bereits ganz am Anfang einen Anfang. In Essen. Mittenmang im Kohlenpott. Und genau da soll diese Geschichte beginnen.
Lasst es euch gut gehen, ihr Lieben.
Bis bald sagt Eure
Eine wunderbare Idee mit der eigenen Biografie. Ich bin Grafikdesignerin und durfte grade die Lebenserinnerungen einer 80-jährigem Freundin als Buch gestalten, dass sie für sich drucken ließ. Es in den Händen zu halten und ausgewählten Personen auch schenken zu können hat sie sehr glücklich gemacht.
AntwortenLöschenSchön, das zu lesen, liebe Dorothe. Alte Menschen erleben es wohl als große Wertschätzung, wenn die Jüngeren sich für ihr Leben interessieren und sie sich gesehen fühlen dürfen.
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