Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!
"Du bist die richtige Frau, um für biografisches Arbeiten, Mut zu machen und zu unterstützen!" Das schrieb eine Blog-Leserin kürzlich in einem Facebook-Kommentar. Sehr zu meiner Freude! Denn abgesehen davon, dass ich mir viele LeserInnen wünsche für meine eigene Biografie, möchte ich genau das: Mut machen und Inspiration geben, Selbstvertrauen vermitteln. Übrigens bin ich auch gern ganz praktisch für diejenigen unter euch da, die persönliche Unterstützung haben möchten beim Schreiben ihrer Biografie. Ist vielleicht genau jetzt die richtige Zeit dafür gekommen? Dann wendet euch vertrauensvoll an mich.
Etwas zu schreiben, hat viel mit dem Glauben an sich selbst zu tun. "Ich kann einfach nicht malen." Wie oft hat man das schon gehört. Dabei könnte dieser Jemand durchaus malen, wenn er oder sie es geübt hätte. "Wir sind alle unsportlich!", bekam die kleine Hannah von ihrer Mutter eingeimpft. "Hauptsache, du hast was im Kopf." Aber warum soll man nicht etwas im Kopf haben und dennoch seinen Körper trainieren. Auf einmal ist man dann nämlich gar nicht mehr so unsportlich wie gedacht. Also: Auch du kannst schreiben. Vergiss den Deutschunterricht. Glaub an dich!
Besonders viel Selbstbewusstsein braucht man wohl, wenn man über sein eigenes Leben schreibt und dann auch noch darüber nachdenkt, dass das irgendwann mal jemand außerhalb des engsten Familien- und Freundeskreises lesen könnte. Oder vielleicht gar solllte? Dann wacht der innere Zensor auf eurer Schulter auf und beginnt zu zetern:
- Was bildest du dir eigentlich ein?
- Wer soll das denn lesen?
- Das interessiert doch keinen.
- Und außerdem kannst du sowieso nicht richtig schreiben ...!
- ... -
- So eine Unverschämtheit! - Glaubt dem frechen Kerl einfach nicht ...!!!
In Hannahs Geschichte gibt es jetzt erstmals einen kleinen Zeitsprung. Bisher habe ich euch eins zu eins die ganze Geschichte lesen lassen. Doch bis zu 1.200 Seiten, ausreichend für eine Trilogie, werdet ihr vermutlich lieber sukzessive lesen wollen, in eurem eigenen Tempo, vielleicht auch lieber als gedrucktes Buch und nicht nur als E-Book. Also gibt es von nun an hin und wieder zusammenfassend narrative Schilderungen, damit ihr im Bilde bleibt.
Los geht's. Ich überspringe, wie Hannah es tatsächlich schafft, den ihr fremden Schulweg ganz allein zu bewältigen, obwohl das bedeutet, dass sie auch allein über die Fußgängerbrücke gehen muss, die hoch über die Eisenbahngleise führt, und wo die Tiefe nach Hannah zu greifen, mit verschwörericher Stimme zu locken scheint: "Komm in meine Arme ...!" Beim honigblonden Fräulein lernt Hannah beglückt einen Buchstaben nach dem anderen kennen und schließt besonders das K, den Buchstaben mit dem kleinen Rucksack, in ihr Herz. Sie beginnt eine Art Notfreundschaft mit der langweiligen, rothaarigen Ulla, die von den Klassenkameraden gehänselt wird. Für Hannah ist diese Freundschaft besser, als ganz allein zu sein. Und außerdem gibt es eine große Gemeinsamkeit: Ulla hasst den Turnunterricht genauso sehr wie Hannah:
Hannah, du bist dran ...!
Turnen und Versagen – Hannah begriff früh, dass das für sie untrennbar zusammengehörte, schon weil Mutti es immer wieder sagte: „Wir sind alle unsportlich!“
Die Turnhalle befand sich zwischen Schulgebäude und Schulgarten. Die Umkleideräume rochen so, wie sie riechen sollten, wenn Kinder ordentlich schwitzten, und Hannah schwitzte schon aus Angst und Scham. Sie fühlte sich so schrecklich unbedeutend, wenn sie in ihrem schwarzen Baumwollturnzeug, sozusagen halbnackt, auf einer der Schwebebänke hockte oder vor einem der beängstigenden Turngeräte wartend in der Reihe stand und sich ihres kleinen Bäuchleins und der Oberschenkel schämte, die einfach kräftiger waren als die vieler anderer Kinder. Sie war traurig, dass die anderen wie kleine Gummibälle auf- und abhüpfen konnten, rannten wie die Wiesel und Spaß daran hatten, mit Holzreifen zu jonglieren und mit harten Gummibällen zu werfen. Wenn alle Kinder über die Schwebebänke laufen und sich anschließend untendurchzwängen sollten, ergriff Hannah Panik. Was, wenn sie für immer dort steckenbliebe? Es war einfach schrecklich. Mit zusammengepressten Knien machte sie sich in jeder Warteschlange so schmal wie möglich, in der Hoffnung, die Lehrerin möge sie übersehen. Doch die Lehrerin übersah sie nie. „Hannah, du bist dran.“
"Dieses Mal schaffst du es", versuchte Rosa dann, Hannah Mut zu machen. Manchmal konnte Rosa richtig nett sein. Aber es nützte nichts. Hannah konnte der frechen und mutigen kleinen Maus, die sie auf ihrer Schulter spürte und die gerade einmal nicht schlief, nicht glauben. Stattdessen war sie gerade damit beschäftigt, ihre Stoffturnschuhe zu hassen. Sie ekelte sich vor deren Geruch. Sie ärgerte sich über die gelblichen Gummisohlen, die quietschten, wenn sie loslief und erst recht, wenn sie allzu plötzlich anhielt. Doch genau das tat sie. Es war peinlich und doch unvermeidlich: Hannah machte ein, zwei Schritte nach vorn und dann tat sie, was von ihr erwartet wurde: Sie war unsportlich. Mal hing sie wie ein nasser Lappen am Barren, mal nahm sie Anlauf zum Bockspringen und wusste doch genau, dass sie sich nur kurz mit den aufgesetzten Händen auf dessen gepolsterte Lederfläche stützen und nicht höher als zehn Zentimeter springen würde, um sich danach so schnell wie möglich, mit hochgezogenen Schultern und gesenkten Lidern, wieder hinten anzustellen. Da stand sie und spürte die Blicke der anderen auf sich ruhen und lauerte sehnlichst auf das Pausenklingeln. Die wunderbare Illusion, geradezu eine Elfe zu sein, überkam sie nur, wenn die Aufgabe lautete, über die Holme der umgedrehten Schwebebänke zu balancieren. Das schien machbar zu sein. Anders als der Schwebebalken waren sie eindeutig zu niedrig, um gefährlich zu sein. Auch Völkerball erschien Hannah vergleichsweise als Lichtblick. Durch eine Drehung, die ihr elegant erschien, entkam sie so manchem Abwurf, doch der Gefahr ins Auge zu blicken und den hart geworfenen Ball selbstbewusst zu fangen, das traute sie sich nicht. Zum Angriff überzugehen und ihn kraftvoll und siegessicher auf die Gegner zu schleudern und dabei auch noch zu treffen, befand sich außerhalb ihres Vorstellungsvermögens. Da konnte Rosa meckern und von Mut und Tapferkeit reden, soviel wie sie wollte.
Wenn Mannschaften zu wählen waren, war Hannah am seelischen Tiefpunkt angelangt. Dann gingen die Blicke der anderen Kinder beinahe angewidert zwischen Ulla und ihr hin und her. „Okay, dann nehmen wir eben die Hannah ...“, sagten sie gedehnt, nach einer Hannah schier endlos erscheinenden Phase des Überlegens. - Welche Schmach ...! Hannah kam sich plump und unbeholfen vor und das würde sich wohl kaum ändern, denn beim Turnen traute sie sich nun einmmal rein gar nichts zu. Doch wenn sie daheim darüber klagte, strich Mutti ihr nur unbekümmert durch die Locken und sagte: „Hauptsache, du hast was im Kopf, mein Kind.“
Und das immerhin hatte sie, da war Hannah sich sicher. Ein Lichtblick ...!
Bis bald sagt Eure
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