Finde hier jede Menge lebendiger Inspiration und Tipps, um deine Lebenserinnerungen, deine eigene Biografie zu schreiben und in Form zu bringen! Geschrieben von einem Kind der Fünfziger Jahre, geboren im Kohlenpott. Gedacht FÜR DICH!

Sonntag, 30. Mai 2021

Hannah: vom ungeliebten Job als Anlernling in die Moderne, zu Coca-Cola

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!

Nachdem ich mich vorhin in einem wahren Schreibrausch - ihr habt zweifelsohne gemerkt: ich kenne so was - über den Themenbereich Schreibblockade und Schweinehund ausgelassen habe, geht es nun direkt weiter mit Hannah. Die hat sich ja gerade, heulend wie ein Schweine... eh ... Schlosshund beschwert, weil sie nicht länger zwischen Zahlenkolonnen und verstaubten Blattpflanzen in die Lehre gehen will. Und endlich hat sie Mutti rumgekriegt. Die wollte sich daraufhin mal umhören. Mal sehen, ob es was gebracht hat:

 

Eine neue Welt
Nicht nur Mutti, auch der liebe Gott hatte ein Einsehen. Hannah wurde angenommen. Am 1. September 1970, vier Wochen nach ihrem frustrierenden Einstieg beim Ruhrverband, wechselte sie, sehr zur Missbilligung ihrer bisherigen Ausbilder, zur Coca-Cola GmbH. Und sie atmete auf. Potztausend, hier wehte doch, das spürte sie gleich, ein anderer Wind.
Selig, wenn auch reichlich nervös, meldete sie sich um Punkt halb acht am Empfang. Eine Mädchen von siebzehn, achtzehn Jahren begrüßte sie mit strahlendem Lächeln. „Ich bin selbst noch in der Ausbildung“, verriet sie, „wenn Sie erst in der Telefonzentrale sitzen, haben Sie auch hier Dienst.“ Dann beschrieb sie Hannah den Weg zur Personalabteilung.
Hannah strahlte innerlich, als sie durchs Treppenhaus nach oben ging. Es müsste super sein, demnächst im schicken Pulli an einem aufgeräumten Tresen zu sitzen, Romanhefte zu lesen und auf Besucher zu warten.
Aufgeregt überflog sie wenig später im Personalbüro ihren neuen Ausbildungsplan. Oh, einfach geil! Ooops. Böses Wort! Aber da stand es: Telefonzentrale. Schon in drei Monaten würde sie selbst den Kopfhörer über die Ohren ziehen, freundliche Morgengrüße säuseln und den Fernschreiber bedienen dürfen. Einkauf, Verkauf, auch das klang okay. Nun ja, in die Buchhaltung würde es zwar auch gehen, aber erst ganz zum Schluss.


Mit weit offenen Sinnen sah Hannah sich um. Welch ein Kontrast! Es fiel so wunderbar viel Licht durch die großen, modernen Fenster. Auch ihre innere Welt sah plötzlich viel heller und heiterer aus. Auf allen Fluren standen Kühltruhen, aus denen man sich kostenlos mit Coca-Cola, Fanta, Sprite oder Cappy bedienen konnte. Für Hannah, die daheim hauptsächlich Pfefferminz- oder Hagebuttentee bekam und ab und zu mal billigen Zitronensprudel, schien allein das schon der Himmel zu sein. Ein paar Wassertropfen perlten von den eiskalten, kleinen Glasflaschen ab, wenn man sie herausnahm, und der Inhalt schmeckte einfach bombig süß und erfrischend. Zweimal im Jahr würde sie sogar eine ganze Kiste mit Getränken ihrer Wahl in Literflaschen mit nach Hause nehmen dürfen. Auch das hatte das Fräulein am Empfang gleich erzählt. Harald und Iris würden begeistert sein. Ach, sie merkte schon, es war einfach ein guter Tausch gewesen ...!

    Ein Anruf hatte genügt. Minuten später kam ein freundlicher Mann in den Fünfzigern herein. Halbglatze, leichter Bierbauch. „Das ist Herr Laskowsky von der Abteilung Technische Entwicklung, wo Sie ab jetzt vier Monate lang lernen werden“, sagte der Personalchef. „Er kommt, um Sie abzuholen.“
Mit Herzklopfen folgte Hannah dem Mann quer über den Hof in ein Nebengebäude. Nun ging es also wirklich los.
„Wenn Sie mal gucken möchten, Fräulein Braun“, Herr Laskowsky öffnete eine Tür, „hier arbeiten unsere Computer.“
Raumhohe Geräte blinkten und piepten. Mensch, war das super! Die neue Welt – und sie war mitten drin. Hier würde sie es aushalten können. Schon öffnete Hannahs neuer Ausbilder eine weitere Tür und wies ihr den Weg in ein geräumiges Büro, in dem mehrere Männer arbeiteten, die sie fröhlich begrüßten. Hannah überflog die Szenerie. Keine einzige Frau zu sehen. Schon klar. Technische Entwicklung. Wieder eine Domäne nur für Männer? Ihre Stimmung kippte. Den nächsten langen Atemzug erlebte sie wie in Zeitlupe. Sie wollte einfach nicht einsehen, dass ihr als Mädchen nicht ebenso alle Türen aufstehen sollten. Warum sollte es ihr nicht erlaubt sein, ihre Begabungen zu leben? Was war falsch daran, ein Mädchen zu sein.
„Noch bist du jung“, flüsterte Rosa auf ihrer Schulter. An manchen Tagen fragte Hannah sich inzwischen, ob sie vielleicht schon ein bisschen verrückt geworden sei. Eine rosa Maus mit grünen Punkten auf der Schulter .... ttttzzz! Echt bekloppt. Das konnte ja nur eine Einbildung sehen. Aber sie sah sie immer noch deutlich vor sich, auch wenn das rosa Fell inzwischen blasser geworden und die grünen Punkte fast ganz verschwunden waren. Auch wenn Rosa inzwischen weitaus seltener mit ihr sprach. Aber wenn sie was sagte, konnte Hannah es immer noch ganz deutlich hören, Wort für Wort. So wie jetzt. „Alles ist möglich“, flüsterte Rosa. „Du musst nur ein bisschen mutiger und selbstbewusster werden. Und das übst du jetzt erst mal hier, okay? Du hast in dieser Hinsicht wirklich noch allerhand zu lernen, glaub mir ...!“
„Alles in Ordnung?“, fragte Herr Laskowsky.
Hannah kam zu sich und nickte. Der Mann griff auf ein Sideboard hinter sich. „Bitteschön! Ein kleines Geschenk für Sie, zum Einstand.“ Er überreichte ihr eine Geschenkpackung mit Stoffservietten und Kerzen, dazu einen kleinen Briefbeschwerer aus Gießharz mit eingelassenen Plastikblüten, über den sie sich so sehr freute, dass sie ihn Jahrzehnte später noch immer besitzen würde. "Danke!!" Hannah strahlte.
Und so begann ihre zweite Ausbildung. Gerade einmal vier Wochen lang hatte sie durchgehalten beim Ruhrverband. Wie gut, dass sie es gewagt hatte, aufzumucken. Nun konnte alles nur besser werden ...



                                                                                    Endlich Licht in Sicht ...!

 

Bis bald sagt Eure

Sigrid Ruth

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Die Hannah-Trilogie wird fortgesetzt - Hannah & der kleine Camper Oddi

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge! Die Zeit bleibt nicht stehen. - Es gibt Neues von Hannah. Noch immer ist sie mit Gabriel zusa...