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Dienstag, 1. Juni 2021

Schriftstellerin werden als ganz normaler Mensch - der Weg zum Ziel

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!

Den meisten Schreiberlingen ist die Lust zum Fabulieren in die Wiege gelegt, kombiniert mit einer geradezu manischen Leselust. Ausgeprägte Begabungen, die einer Berufung gleichkommen, zeigen sich früh. Man tut diese Dinge schon als Kind gern. Nicht immer werden diese Kinder gleich ausreichend gefördert - das galt in der Nachkriegszeit, als das Thema Talentförderung und Selbstverwirklichung noch wenig verbreitet war, sicher mehr als heute. Auch bei mir war das Lesen und Erzählen schon immer meine Welt. Auf die Sprünge helfen musste ich mir allerdings selbst. Und so sah das aus:

Bereits als Zehnjährige erzählte ich meiner fünf Jahre jüngeren Schwester frei erfundene Geschichten rund um einen ausgedachten Familienteddy, Teddy Braun genannt. Sie hörte das so gern, dass sie mir zur Belohnung ausgiebig den Rücken kraulte. Mein erstes Honorar ...! In der Schule liebte ich es, Nacherzählungen und Aufsätze zu schreiben. Ich schwelgte in Stoffsammlungen und Gliederungen und fraß jede Geschichte aus dem Lesebuch. Ein unvergessliches Mal verfolgte ich fasziniert im Fernsehen "Aladins Wunderlampe", vielleicht in der Kinderstunde. Gleich im Anschluss hockte ich mich an das ausgemusterte Ungetüm von Schreibmaschine, das meine Mutter kürzlich aus dem Büro mit nach Hause gebracht hatte. Noch völlig absorbiert von dem Film, jede Szene deutlichst vor Augen, hämmerte ich im Zwei-Finger-Suchsystem in die Tasten  und schrieb die Story auf. Es war fantastisch. Ich hörte und sah nichts mehr um mich herum. Ich war wie in Trance. Das muss die erste Flow-Erfahrung meines Lebens gewesen sein. Dann war jahrelang Sendepause. Bis auf Diktate und Schulaufsätze schrieb ich nichts mehr. Aber ich las wie verrückt. 

Als der Mann meiner besten Freundin vorschlug, einmal im  Monat eine zusammenkopierte Zeitschrift-unter-Freunden namens "WIR" herauszugeben, war ich Feuer und Flamme. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr mir das eigenständige Schreiben fehlte. Damals war ich Mitte zwanzig. Die Mitarbeit bei "WIR" machte mir riesigen Spaß, aber das Leben forderte mich nun als Familienfrau auf andere Weise, so dass das Schreiben erneut in Vergessenheit geriet. 2001 nahm ich nach einer Umschulung von der Sekretärin zur Ergotherapeutin im neuen Beruf die Arbeit auf. Zu dieser Zeit machte mich eine Kollegin auf einen Kurs im Kreativen Schreiben an der Volkshochschule aufmerksam. Es war, als wollte das Schicksal mich mit der Nase drauf stoßen: Hey, du wolltest doch schreiben ...! Und du solltest! 

Wieder war ich begeistert bei der Sache. Die Kursleiterin lud mich ein, ihrer privaten Schreibgruppe beizutreten, was ich nur allzu gern tat. Bald traf ich im Hinterzimmer einer Gaststätte mit anderen Schreibbegeisterten aus Stormarn zusammen. Mit zwei von ihnen gründete ich eine Mini-Schreibgruppe, die sich alle zwei Wochen privat traf. Die Gastgeberin bewirtete die beiden anderen Damen jeweils liebevoll. Nach den lukullischen Genüssen gab sie ein Thema vor. Ohne lange zu überlegen, tauchten wir in unsere Gedankenwelt ein, schrieben zum selben Thema höchst unterschiedliche Geschichten und Gedichte und lasen sie einander vor. Nach Jahren stellten wir fest, dass die besten Geschichten wahre Geschichten waren, die, die das Leben schrieb. Von da an schrieben wir nur noch autobiografisch und waren fasziniert von den eigenen Erlebnisse und denen der anderen.

2008, mittlerweile war ich fast schon fünfzig, begann ich mit dem Online-Journalismus und veröffentlichte  zahlreiche Texte bei Suite 101, Ratschlag24 und experto.de. Ich meldete mich bei VG Wort an und durfte mich über erste Ausschüttungen freuen. 2009 schließlich machte ich mich selbstständig - als Kreativkursleiterin, unter anderem mit einer Schreibwerkstatt, und als freie Journalistin. Es gelang mir, in der KSK, der Künstlerversicherungskasse unterzukommen, die den Arbeitgeberanteil für Krankenkasse und Rentenversicherung übernahm. Damit war ich also offiziell Künstlerin. Und so hatte ich endlich einen Beruf gefunden, der mich erfüllte. Ich war glücklich!!!

Seit Oktober 2020 nun bin ich Rentnerin. Neue Türen öffnen sich. Ich genieße die unnachahmliche Chance, frei von den Sorgen des Broterwerbs in die Schreibwelt einzutauchen und zu schreiben, was immer mir gefällt. Als Ghostwriter für andere zu schreiben ist eine Arbeit, die mir sehr gefällt. Meine eigene Geschichte zu schreiben gefällt mir mindestens ebenso. Der Corona-bedingte Rückzug unterstützt das Schreiben noch. Viel Freiraum in Sicht. Der Blog, den ihr gerade lest, ist eng verbunden mit meiner geplanten E-Book-Trilogie zur Geschichte meines Lebens, in der aus Sigrid als Ich-Erzählerin irgendwann Hannah wurde. Hannah gefällt mir. Und offenbar nicht nur mir ...

Schon klar, vom Literaturnobelpreis bin ich Lichtjahre weit entfernt, aber das ist gar nicht wichtig. Mir genügen kleine "Auszeichnungen". Zur eigenen Ermutigung habe ich einen ganzen Ordner mit positiven Rückmeldungen gefüllt. Ich schreibe weiterhin mit Begeisterung getreu meinem Motto "Schreiben ist wie Reden, nur schöner". Ich werde gern gelesen. Das zählt. Ich bin auf dem Weg. Und zugleich fühle ich mich bereits jetzt angekommen. In meinem Traubjob. In meiner Berufung. Als Schriftstellerin ...? Warum denn nicht ...?!

 
                                       
Ein Schwan allein? Das passt nicht. - Schwäne gelten als lebenslang treue Partner. Von beruflicher Karriere ist bei ihnen nicht mal im Traum die Rede.

Aus Hannahs Geschichte gibt es heute einen vergleichsweise kurzen, aber keinesfalls unwichtigen Auszug. Bis zum Erscheinen des kompletten E-Books am 1. Juli ist es heute nur noch genau einen Monat hin. Ein Buch, in dem die Sache mit den Männern so verflixt wichtig ist. Und so kompliziert ...!

 

Traummänner

„Weißt du, Hannah, Sekretärin ist ein wirklich schöner Beruf für eine junge Frau", sagte Mutti, "sonst würde ich dir nicht dazu raten. Ich bin gut damit gefahren, glaub mir. Man verdient gar nicht mal schlecht und mit einem netten Chef geht es dir gut.“
Hannah horchte auf. Ein netter Chef? Vielleicht sogar gutaussehend und charmant? In ihr machte sich eine zarte Anmutung von Romantik breit. Dieser nette Chef hätte bestimmt Abitur, sonst wäre er ja kein Chef. Und natürlich hätte er studiert. Die Krankenschwestern und Sekretärinnen in ihren geliebten Heftromanen heirateten häufig ihre Chefs und danach lebten sie in Saus und Braus. So übel klang das also nicht. Ein Arzt vielleicht. Oder gar ein Adeliger. Wenn sie schon nicht Künstlerin werden durfte oder Innenarchitektin oder was anderes von Ansehen oder Fantasie, dann musste eben ein toller Mann her ...! 

Hannah hatte in letzter Zeit immer häufiger darüber nachgedacht: Womöglich war das Leben an der Seite eines Mannes ja wirklich der beste Weg für sie. Sie hatte längst begonnen, einschlägige Frauenzeitschriften zu lesen. Und fast unmerklich gewöhnte sie sich daran, sich selbst bereits als adrette Kuchen backende, Marmelade kochende, die Fliesen polierende Hausfrau zu sehen, die von ihrem hungrigen Gatten am Abend einen Kuss auf die Wange bekam und ihm eine Horde Kinder gebar. Und Kinder waren ja so was Süßes ...! Ob sich das alles vielleicht doch vereinbaren ließe mit einem Studium und einem tollen Beruf? Kaum. Aber vielleicht, dachte Hannah, macht mich  ja auch ein häusliches Leben glücklich eines, bei dem ich nicht als berufstätige Frau hinaus müsste in die feindliche Welt, wo sie – ohne männlichen Schutz - ihre eigenen Ellbogen würde einsetzen müssen, um sich zu behaupten ... Wie leicht könnte sie sich stoßen dabei. Sie könnte ein Leben führen, in dem noch Platz bliebe für stille Lesestunden und für Träume, für selbst gestrickte Pullover und selbst genähte Kleider und Röcke. Und Hosen natürlich. Hosen, die sie als Kind nicht hatte tragen dürfen, weil sich das für ein Mädchen angeblich nicht gehörte. Jetzt könnte sie sich einen ganz Schrank voll davon nähen. War das nicht fast noch erstrebenswerter als eine akademische Bildung?

Hannah spürte Muttis Blick auf sich. Aufmunternd. Auffordernd. Ja, fast schon befehlend.
„Ich kann’s ja versuchen“, sagte sie.
„Na siehst du ...“
Und Mutti lächelte zufrieden.

Morgen geht's weiter. Dass das mit dem adeligen Chef übrigens so ganz anders enden kann, als gedacht, auch davon lest ihr bald im Buch. Vermutlich mit einem Grinsen im Gesicht.


Bis bald sagt Eure

Sigrid Ruth

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