Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!
Irgendwo las ich einmal, das Schreiben ließe sich mit der Bildhauerei ganz gut vergleichen. Man schreibt und schreibt, um einen Block zusammenzubekommen, mit dem sich arbeiten lässt. Aus dem haut man dann das eigentliche Kunstwerk heraus, so wie einst Michelangelo seinen fantastischen David aus einem Marmorblock erschuf. Wo nichts ist, kann man nichts wegschlagen, nicht formen und feilen. Das sah ich ein und erzählte es auch den Teilnehmerinnen meiner Schreibwerkstatt immer wieder gern.
Der Marmorblock meiner Autobiografie ist schon lange fertig. Viele hundert Seiten kamen zusammen. Ich begann, umzusortieren, zu ergänzen, zu streichen, umzuformulieren und aufzuteilen. Das war nicht weniger Arbeit als der First Draft, ganz im Gegenteil. Aber es machte deutlich mehr Spaß. Denn das, was nun übrigbleibt, ist teilweise schon richtig gut, druckreif. Und anderes wird immer besser. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Man kann eine Ahnung vom glitzernden Brillianten bekommen, der anfangs nur gepresster Kohlenstaub war.
Die Phase der Überarbeitung einer Biografie ist bestens geeignet, um Zeitzeugen noch einmal zu befragen: "Wie war das denn damals noch genau?" Meine alte Schulfreundin Bärbel wies mich gerade daraufhin, dass Katharina, die Notfallfreundin, die ich vor ihr hatte, die Roy Black so sehr verehrte, aber leider eine graue Maus war, gar nicht in einem Zechenhaus lebte. "Das waren Zinkhüttenhäuser. Die Zinkhütte war gleich gegenüber. Zechen gab es auch in Bergeborbeck. Aber die waren anderswo."
Ich überarbeite nun so intensiv wie nie an meinem autobiografischen Roman mit Hannah als Protagonistin, viele Stunden am Tag. Und dann will ich das künftige E-Book auch noch selbst lektorieren. Da ist sehr viel Sorgfalt nötig. Und noch mehr Zeit. Aber als Rentnerin kann ich mir das erlauben. Jippie!!! Ich vergesse beim Schreiben Hunger und Durst und bekomme dicke Beine bei dem warmen Wetter und weil ich mich zu wenig bewege. Das ist ungesund, weiß ich. Aber ich kann gerade nicht anders. Oder ...?
Na gut, vielleicht doch. Nachdem ich nun schon über drei Stunden am Stück getippt habe, gönne ich mir gleich eine Bewegungspause. Starte im Netz das sympathische Video mit der lateinamerikanischen Tanzgymnastik. Schicke nur noch schnell diesen Blogbeitrag los, mit dem ich euch alle ermutigen möchte, euch euren Marmorblock zu erschaffen. Damit ihr euren ganz persönlichen David daraus meißeln könnt. Oder Kohlenstaub zu pressen, für euren eigenen Brillianten.
Copyright: Sigrid Ruth StephensonEs gab schon etwas Grün hinter den Zinkhüttenhäusern - vor allem aber gab es Grau.
Apropos Kohlenstaub. Hier kommt noch ein wirklich kurzer Auszug für euch aus Hannahs Geschichte - mehr dann im Buch. Anno 1965. Hannah ist jetzt zehn Jahre alt. Zeit für den Schulwechsel. Und Schluss mit dieser unerträglichen Enge bei fünf Personen auf zweieinhalb Zimmern!
Bergeborbeck war der Ort, an dem dicht an dicht die grauen Zinkhüttenhäuser mit den kleinen Gärten dahinter standen, deren Grün einen Grauschleier trug. Dort gab es Zechen und Fördertürme und rauchende Schlote. Dort waren die Kumpel, die auf Zeche schufteten und sich unter Tage gewöhnlich die Steinstaublunge holten, von der Mutti Hannah erzählt hatte, als sie im Ruhrkohle-Gebäude die Pförtner gesehen hatten. Eine grausame Krankheit, die die Bergleute vor der Zeit ins Grab brachte. Doch all diese wenig ersprießlichen Gegebenheiten hatten Mutti und Papa in Kauf genommen, um endlich ein Zimmer mehr und ein Fenster im Bad zu haben. Und ein eigenes Kinderzimmer. Für Dietmar natürlich. Es war ja so gemein ...!
Bis bald sagt eure
Sigrid Ruth
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