Finde hier jede Menge lebendiger Inspiration und Tipps, um deine Lebenserinnerungen, deine eigene Biografie zu schreiben und in Form zu bringen! Geschrieben von einem Kind der Fünfziger Jahre, geboren im Kohlenpott. Gedacht FÜR DICH!

Mittwoch, 2. Juni 2021

Emotionen, Fallhöhe und Erwartungen in der Biografie - Beispiel Tanzschule

Das heutige Schreiberling-Thema: Wie lasse ich alltägliche oder typische Themen in der Autobiografie so spannend erscheinen, dass der Leser meint, dabei zu sein? Das Leserling-Thema: Hannah sitzt mal wieder auf der Wartebank - ausgerechnet in der Tanzschule.  


Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!

Wir sprachen in diesem Blog schon darüber:  Spannung und Action sind zwei paar Schuhe - auch in der Autobiografie. Wenn sich ganze Völker in einem wilden Gemetzel die Köpfe abschlagen, ist das zwar actionreich, aber nicht spannend. Selbst wenn du im Detail schldern würdest, was passiert, ändert  das nichts, solange wir den Helden oder die Heldin, die sich mittendrin befinden, nicht näher kennen. Spannung entsteht durch Anteilnahme und und Neugier. Durch Erwartungen und Hoffnungen. Man möchte wissen, wie die Figur, mit der man mitfiebert, aus einem bestimmten Situation wieder herauskommt. Ob sie der Erreichung ihres Ziels näherkommt oder, dramaturgisch günstig, neue Schwierigkeiten auftauchen. Das ist im Krimi, in dem der Kripomensch gerade dem Schurken auf der Spur ist, ebenso wie im Liebesroman, in dem der Held einen inneren oder äußeren Gegenspieler ausstechen muss. Um in deiner Biografie Spannung aufkommen zu lassen,  musst du den LeserInnen deine Gefühle zeigen und sie deine Emotionen deutlich spüren lassen. Die Umstände dürfen nicht beliebig sein. Es muss eine gewisse Fallhöhe da sein. Es muss um etwas gehen. Emotionen sind unverzichtbar für die Dramatik. Das gilt erst recht, wenn man in einer Biografie fast schon alltägliche Begebenheiten, die zum Leben irgendwie dazu gehören, schildern will. Und dabei Spannung erzeugen.

© Sigrid Ruth Stephenson

Ein Platz für zwei im Leben? Könnte schön sein ...!

 

Erinnerst du dich an deinen Besuch in der Tanzschule? Worum ging es dir da? Wie warst du drauf? Sicher warst du mega aufgeregt. Du hast dich schöngemacht, du warst gespannt auf die Jungs dort. Nervös fragtest du dich, wie du ankommen würdest beim anderen Geschlecht. Und wie die Konkurrenz wäre durch die anderen Mädchen, die womöglich viel interessanter erschienen als du? Vielleicht warst du aber auch ganz selbstbewusst und bildschön und die Männerwelt lag dir zu Füßen. Dann könnte es vorhersehbar weitergehen, muss es aber nicht. Vielleicht willst du ja gar keinen von denen. Vielleicht bist du auch spontan schockverliebt in den verheirateten, zwanzig Jahre älteren Tanzlehrer. Oder du hast bei aller Schönheit ein Problem mit einem etwas zu kurzen Bein. Oder ... Was es auch ist. Du musst es dem Leser zeigen - getreu der Devise "Show, don't tell.", ihn deine Gefühle nachvollziehen und  miterleben lassen. Und die werden vermutlich recht unterschiedlich sein, weil die Gegebenheiten und Gepflogenheiten in den 1970er-Jahren eben noch anders waren als in den 2000er-Jahren. Und in manchen Bereichen doch wieder gleich.

Mal sehen, ob mir das mit den Emotionen bei Hannah gelingt. Hannah, die vor kurzem ihre Ausbildung begonnen hatte, stand eine neue Herausforderung bevor:  die Tanzschule. Sie tanzte für ihr Leben gern. Sie freute sich mächtig. Wäre da nur nicht diese verdammte Angst gewesen. Ihre Mauerblümchen-Erfahrungen in der Disco hatten sie unsicher gemacht  und sie war hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und Panik. Aber Drücken galt nicht. Alle Mädchen ihres Jahrgangs gingen zur Tanzschule. Es gehörte einfach dazu. Sie konnte und sie wollte sich nicht drücken. Sie wollte da unbedingt hin, Angst hin oder her. 

Und los geht's:


Tanzen mit Fabian 

Ein Leben ohne Musik konnte Hannah sich nicht vorstellen. Mit jeder Faser ihres Körpers nahm sie sie auf. Rhythmen und Melodien spülten über ihre Ohren direkt in ihre Seele hinein und jagten von dort aus Kaskaden von Gefühlen durch ihren ganzen Körper. Sehnsuchtsschauer, die sie kaum näher benennen konnte, verunsicherten und beglückten sie zugleich. Wenn eine Melodie sie mitriss, war jeder Takt war wie ein Funke, der ein Feuerwerk in ihr entzündete, ihr einen neuen Impuls zur Bewegung gab. Eigentlich hätte sie gar keinen Unterricht gebraucht. Ihr Körper sagte ihr von allein, wie sie Takt in Bewegung hätte umsetzen können - auf ihre Weise natürlich. Leider war ihr nur allzu klar, dass das hier nicht gefragt war.

Sie bemerkte sehr schnell, dass man in der Tanzschule nicht tun und lassen konnte, was man wollte. Alle Schritte waren ebenso wie die richtige Körperhaltung exakt einzuhalten. Das Tanzen war offenbar eine ernst zu nehmende Aufgabe, kein Spaß. Zugleich war es eine Art Vorbereitungsunterricht auf ihr künftiges Leben. Eine gute Ehefrau musste nicht nur kochen, backen und putzen können. Tanzen zu können wie eine Feder, sich vom Partner geschmeidig führen zu lassen, das gehörte ebenso dazu, um zu gefallen, um gesellschaftlich bestehen zu können. Und Hannah war bereit, sich Mühe zu geben.

Overath, in der Bel Etage am Essener Stadtgarten gelegen, war eine angesagte Einrichtung. Das elegante Tanzlehrer-Ehepaar faszinierte Hannah vom ersten Moment an.  Mit welcher Bravour der Chef seine Frau, die mit schönen Beinen, hohen Absätzen und schwingenden Röcken glänzte, in Bewegung brachte ...! Und dieses Dauerlächeln, wo sie das nur hernahm ....? Die hat was, was ich nicht habe, dachte Hannah. Doch schon bald hatte sie keine Zeit mehr zum Grübeln, war mittendrin und versuchte, nicht zu verkrampft zu lächeln und ansonsten zu tun, was man ihr sagte. Und das war allerhand.

Die Overraths brachten ihr und den anderen in nervöser Erwartungshaltung befindlichen Schülern und Schülerinnen erst einmal Benimm bei. Herr Knigge hatte zu dieser Zeit gesellschaftlich noch einen hohen Stellenwert und Galanterie war Trumpf, zumindest theoretisch. Wenn es darum ging, dass die „Herren“ die „Damen“ aufforderten, hatten sie das mit angedeuteter Verbeugung und mit zugeknöpftem Jackett zu tun. Fingernägel hatten sauber und Haare ordentlich gekämmt zu sein. Mundgeruch war ebenso ungern gesehen wie männlichen Hände, die Mädchentaillen zu fest umfassten oder gar tiefer lagen als der Anstand erlaubte. "Auf dem Hinterteil der Damen, meine Herren, haben Ihre Hände nichts zu suchen." Die Körperhaltung hatte dem eines gespannten Bogens zu gleichen, nicht dem eines Schluck Wassers in der Kurve. Hannah lernte ohne große Mühe alle für einen Anfängerkurs vorgesehenen Tänze. Standard und Latein, Walzer, Foxtrott, Tango, Rumba, Cha-Cha-Cha und Rock’n roll. Sie verstand auf Anhieb, wie sie die Füße zu setzen hatte. Doch soweit musste es ja erst einmal kommen.

Schon beim Auffordern fing das Drama an. Es war wie in der Disco: Die wenigsten jungen Männer schienen Lust zu haben, Hannah aufzufordern, und einmal mehr fühlte sie sich als Mauerblümchen. Nur die Hässlichen und Übriggebliebenen - gewöhnlich pickelig, dicklich und kleiner als sie - zeigten sich bereit, mit ihr zu tanzen. Warum trauten die Anderen sich nicht? Hatte es damit zu tun, dass sie inzwischen bereits fest damit rechnete, abgelehnt zu werden. Das ließ sich besser mit stolzem, unnahbarem Gesichtsausdruck ertragen. Ängstigte ihr ernster Blick die Gutaussehenden, die sich bei den fröhlichen, lockeren Mädchen eher Anerkennung erhofften? Ach, verdammt! Warum war sie auch so steif? Konnte sie nicht so locker sein wie die anderen? - Nein, konnte sie nicht.

Hannah stand unter Druck.  Sowohl zum Mittelball als auch zum Abschlussball würde sie einen festen Tanzpartner haben müssen. Doch die ersten Tanzstunden vergingen und sie überlebte sie häufig genug nur, weil Frau Overrath ihr einen der jungen Herren charmant und dominant  zugleich zuführte, der gerade noch irgendwo herumstand. Bärbel, die mit von der Partie war, war natürlich längst wieder in festen Händen und selbst deren stille, ein Jahr jüngere Schwester hatte ein Gegenstück gefunden, groß und sympathisch aussehend. Als Hannah schon fast aufgeben wollte und ernsthaft überlegte, dem Tanzunterricht künftig fernzubleiben, verbeugte sich Fabian vor ihr, ein stiller, hübscher Junge mit großen, dunklen Augen. Er war gerade einmal so groß wie sie. Er stellte sich als Gärtnerlehrling vor. Hannah sah ihn an und hatte das Gefühl, in die Tiefe seiner Seele zu sehen. Da war diese gewisse Traurigkeit in seinem Blick, die ihr vertraut war. Und das gab ihr Mut und Zuversicht. Er würde froh sein, sie zu haben. Als Ballpartner würde er alle Mal taugen und wer weiß, vielleicht ...

...

Ob aus den beiden was wird? Verrat' ich nicht. ;-) Aber hier könnt ihr es erfahren.


Bis bald sagt Eure

Sigrid Ruth

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Die Hannah-Trilogie wird fortgesetzt - Hannah & der kleine Camper Oddi

Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge! Die Zeit bleibt nicht stehen. - Es gibt Neues von Hannah. Noch immer ist sie mit Gabriel zusa...