Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!
Was wäre, wenn ...? W-Wörter wie diese sind gut für einen Schriftsteller. Mit W-Fragen kommt man weiter, entwickelt plötzlich Gedanken, die einem sonst nie gekommen wären. Was wäre, wenn der vermeintliche Mörder in Wirklichkeit das mögliche nächste Opfer des wahren Mörders wäre? Was wäre, wenn mit einem Mal alle Wände und Zimmerdecken in der ganzen Stadt aus Glas wären und niemand mehr sich vor den Blicken der Nachbarn verbergen könnte. Ungeahnte Möglichkeiten ...
Als ich meine Lebenserinnerungen aufschrieb und so liebevoll ausformulierte, dass jeder Leser und jede Leserin würde eintauchen und baden können in inneren Bilder und eigenen Erinnerungen, wurden mir vier Dinge ziemlich bald klar:
- Ich muss von der Ich-Perspektive in die 3. Person wechseln, um die Dinge aus dieser Warte heraus mit ein wenig mehr Distanz betrachten zu können. Das wird mich entspannen und mutiger machen, um das aufschreiben zu können, was wirklich geschah.
- Ich muss manches verfremden, um handelnde Personen zu schützen.
- Ich werde mit einem Band nicht auskommen, auch nicht mit zweien - das wird verdammt noch mal eine Trilogie!
- Meine Zielgruppe sind nicht nur(!), aber vor allem Silver Ager. Menschen wie ich, die noch einmal eintauchen möchten in die 1950er-, 1960er-Jahre und mitgenommen werden auf die Reise ins Heute, auf der sie sich selbst befinden. Um abgleichen, um sich erinnern, um sich inspirieren und sich ermutigen lassen zu können. Und neben den in Ehren Ergrauten auch deren Töchter und vielleicht sogar einige Söhne, die ihre Eltern besser verstehen möchten.
Aber was wäre, wenn das niemand lesen will? Weil so was ja nicht üblich war bisher. Trilogien führen durch das Leben verschiedener Personen aus mehreren Generationen, so was weiß man doch. Drei Bände für ein einziges Leben? Nie gehört so was ...! Das geht nicht! - Aha? Und wieso nicht? Diesem seltsamen Zauberlehrling namens Harry Potter wollte anfangs auch kein einziger Verleger eine Chance geben. Alle, die das Manuskript abgelehnt haben, dürften sich inzwischen zigfach ins eigene Hinterteil gebissen haben. Und überhaupt ist meine Devise: Geht nicht, das gibt's nicht. Zumindest nicht, wenn ich von einer Sache überzeugt bin. Und von Hannah bin ich so was von überzeugt.
Wenn man einen Frauenroman liest, trifft man die Protagonistin gewöhnlich in einer herausfordernden Phase ihres Lebens an, in der sie sich bewähren muss. So weit, so gut, so spannend. Wie sie einmal war und was sie zu der Frau gemacht hat, die sie heute ist, erfährt die Leserin vermutlich bruchstückhaft im Rahmen von Dialogen und durch kleinere oder größere Rückblenden. Wobei letztere oft ungern gelesen werden, während der allwissende Erzähler, der in früheren Werken so manches erklärte, auch relativ unbeliebt geworden ist.
Copyright: Sigrid Ruth Stephenson
Insekten tauchen in Blüten ein, die ihnen verführerisch erscheinen. Leser und Leserinnen machen dasselbe mit Romanen.
Was wäre, wenn ... Was wäre, wenn man diese Protagonistin schon vom Zeitpunkt ihrer Geburt an hätte begleiten dürfen, gleichsam mit ihr hineinwachsen können in diese ganz besondere und entscheidende Challenge, wie es auf Neudeutsch heißt? Man würde sich so tief und so nah mit ihr freuen können, wenn sie die Herausforderung ihres Lebens am Ende von Band III endlich besteht, als ginge es um das eigene Leben. Man ist erleichtert und happy, wenn sie sich rückblickend selbst versteht. Man stellt Bezüge her zum eigenen Leben und versteht mein einem Mal auch sich selbst besser. Wie viel befriedigender dürfte das sein. Wäre es nicht fast so, als hätte man an der Seite dieser Figur ein zweites, ein anderes Leben und damit sich selbst rückblickend noch einmal erlebt?
Das ist es, was meine Leserinnen und einige wenige männliche Leser spüren sollten. Mich dürften sie dabei übrigens ziemlich genau, ja fast schon intim, kennenlernen, was mich wieder an die Wände und Zimmerdecken aus Glas denken lässt. Aber egal, das muss ich riskieren. ;-)
Bis bald sagt eure
Sigrid Ruth
P. S. Für alle, die Hannah noch nicht näher kennen. Hier ist, in aller Kürze, ihre Geschichte:
Hannah, 1955 im Kohlenpott geboren, ist ein begabtes, sensibles Kind, das unbedingt das schön weiße Lyzeum besuchen möchte, an dem es täglich vorbeikommt. Fräulein Falter, die honigblonde Lehrerin, unterstützt diesen Wunsch, Mutti nicht. "Realschule reicht. Ein Mädchen heiratet sowieso." Fortan lebt Hannah, die schon früh spürt, dass sie irgendwie anders ist, ihr Leben im Spannungsfeld von Sehnsucht nach Bildung und nach Liebe. Hannah heiratet - dreimal. Voller Hoffnung. Doch immer neu riskiert sie stolz ihr Glück. Blöd nur, dass der Mensch, den sie am wenigstens versteht, sie selbst ist. Als dann noch die Sache mit dem Vorhang passiert, merkt sie, dass etwas geschehen muss, bevor es zu spät ist. Jetzt. Und so nimmt sie den Kampf auf gegen einen unsichtbaren Feind ...
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