Moin, meine lieben Schreiber- und Leserlinge!
Ich bin fasziniert von Träumen. Albträume ängstigen mich und schenken mir zugleich Erkenntnisse. Erotische Träume lassen es kribbeln, Träume von wahrer Liebe erwärmen das Herz. Etwas Besonderes sind die Kindheitsträume. Ich denke da nicht so sehr an Träume kleiner Jungs, einmal Lokomotivführer zu werden oder Astronaut. Ich denke eher an mein verträumtes Naturell von damals, das sich in weiten Zügen - zum Glück, wie ich finde - erhalten hat. Und in der Figur der Hannah lasse ich diese Träumereien für euch lebendig werden:
Trotz der Nähe zum Hauptbahnhof war es ruhig in der Wiesenstraße, wie gemacht für kindliches Spiel. Gleich gegenüber des Mietshauses, in dem sie wohnten, gab es ein unbebautes Trümmergrundstück, das Hannah, die gern allein unterwegs war, magisch anzog. Leider erschien Mutti der Aufenthalt dort gefährlich, weshalb er verboten war, denn wer wusste schon, welche Bomben und Granaten sich dort als Blindgänger verstecken mochten. Doch Hannah konnte nicht widerstehen. Für sie war es ein ähnlich verführerischer, romantischer Ort wie der Speicher. Ein Ort, an dem sie die Stille genoss und das Alleinsein, das sie nur dann fürchtete, wenn sie sich unfreiwillig ausgeschlossen fühlte. Freiwillig war sie gern allein. So versetzte Hannah sich heimlich Muttis Verbot, immer wieder, um auf der anderen Seite der Straße eine eigene Welt zu betreten, die nur für sie da war. Kindheitsträume, die so harmlos wie verboten waren.
Copyright: Sigrid Ruth Stephenson
Geheimnisvoll ...
Wie sie es liebte, ein Stück vom falschen Rhabarber abzubrechen, das beim Herumkauen säuerlich auf der Zunge prickelte. Sie mochte die von der Sonne erwärmten Stellen der Mauerreste, die noch nicht von Gras und Löwenzahn und Butterblumen überwuchert waren. Es war angenehm, sich mit nackten Schenkeln darauf zu setzen und zu beobachten, wie Ameisen krabbelten und kribbelten, Vögel zwitscherten und Hummeln brummten. Zwischen Steinen, Unkraut und Gebüsch gab es eine mit Gras bewachsene Stelle, die eben und weich genug war, um sich daraufzulegen. Das Gesicht zum Himmel gerichtet, betrachtete sie von dort aus die Wolken und dachte sich Geschichten zu den Figuren aus, die sie darin zu entdecken glaubte. Sie liebte die zarten, roten Mohnblüten, die, durchleuchtet vom Sonnenlicht, am Rand des Grundstücks wuchsen. Wie Feenkleider, dachte sie. Sie sah den Tagpfauenaugen beim Nektarsaugen zu. Sie lauschte dem Tuckern vorbeifahrender Autos und hoffte auf die Glocke des Klüngelskerls oder die Rufe des Scherenschleifers, doch die waren nur selten zu hören. Die wunderhübschen Marienkäfer hielt sie für ihre Freunde. Wann immer sich einer auf ihrem nackten Arm niederließ, behielt sie ihn so lange lächelnd im Blick, bis er seine zarten Flügelchen wieder ausklappte und weiterflog. Die schwarzen Käferchen mit den roten Punkten aber, die waren ihr die liebsten. „Das sind die Teufelchen“, hatte Mutti ihr erklärt, mit einem kleinen Funkeln in den Augen, als würde sie überlegen, ob es nicht Spaß machen könnte, selbst einmal ein Teufelchen zu sein. Hannah verstand das gut, denn auf die Dauer war es eintönig, ein kleiner Engel zu sein. Wie die Welt wohl aussah, wenn man ein Teufelchen war ...?
(Auszug auf "Hannah - Das Kind will nicht heiraten ...!"*)
* Kostenlose Leseprobe gefällig? Hier geht es zu Band 1 "Hannah - Das Kind will nicht heiraten ...!" und zu Band 2 "Hannah - Ohne Mann ist auch echt blöd". Viel Spaß beim Eintauchen in die ganz persönliche Welt einer Frau, die einfach nicht sein will wie andere.
Bis bald sagt eure
Sigrid Ruth
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